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Persönlichkeitstest

fast immer passender: Persönlichkeitsfragebogen
engl: personality test, personality questionnaire

Standardisiertes diagnostisches Verfahren (Test), tatsächlich meist aber Fragebogen mittels dessen Persönlichkeitsmerkmale (Traits) als abgrenzbare Dimensionen des Erlebens und Verhaltens einer Person erfasst werden.
Im Berufsumfeld eingesetzte Persönlichkeitstests messen typischerweise Persönlichkeitsmerkmale (Traits) die einen Bezug haben zum Verhalten und dem Erfolg bei der Arbeit, zu zwischenmenschlichen Interaktionen sowie zur Zufriedenheit mit verschiedenen Aspekten der Arbeit. Beispiele für solche Traits sind:

  • Gewissenhaftigkeit
  • Extraversion
  • Ängstlichkeit
  • Kontaktoffenheit
  • Emotionale Stabilität
  • Ambiguitätstoleranz
  • Risikobereitschaft
  • Selbstwert
  • Soziale Verträglichkeit
  • Verhaltenskontrolle
  • Offenheit für neue Erfahrungen

Nicht erfasst werden Merkmale kognitiver Leistung (z.B. Intelligenz, Kreativität) und Motive. Für diese Merkmale gibt es eigene Verfahren wie Leistungstests, Intelligenztests und Motivationsfragebogen.

Die meisten Persönlichkeitstests haben die Form eines Fragebogens zur Selbstbeschreibung. Der Proband bekommt Aussagen zu seiner Person dargeboten und drückt anhand einer 4- bis 7- stufigen Antwortskala durch ankreuzen aus, in welchem Maße diese auf ihn zutreffen. Die Antworten von jeweils 6-12 dieser Items werden zu einem Skalenwert für eine Persönlichkeitsdimension zusammengefasst. Anschließend wird der individuelle Skalenwert mit der Verteilung der Skalenwerte einer Vergleichsgruppe (Normstichprobe) verglichen und ein Prozentrang berechnet. Dies führt zu Aussagen und Ergebnissen wie:

Kandidat X beschreibt sich als gewissenhafter als 85 Prozent der Kandidaten, die sich in den letzten drei Jahren bei uns vorgestellt haben.

Kandidat y beschreibt sich als kontaktoffener als 85 Prozent unserer Vertriebsmitarbeiter.

Die meisten Persönlichkeitstests sind keine Tests im klassischen oder „quasi-experimentellen“ Sinne sondern Fragebogen zur Selbstbeschreibung und sollten daher besser Persönlichkeits-Fragebogen genannt werden.

Persönlichkeitsfragebogen werden häufiger im Rahmen von Eignungsuntersuchungen eingesetzt wenn der Erfolg auf der Position stark von erfolgreichen Interaktionen mit anderen Menschen abhängt oder der neue Mitarbeiter (w/m/d) im Team arbeiten soll.
Kandidaten in Bewerbungssituationen wollen sich selbst möglichst gut darstellen. Sie betreiben Eindrucksmanagement und dies kann die Selbstbeschreibung per Fragebogen verzerren (Birkeland et. al., 2006, Richard et al., 2016). Die Ergebnisse von Persönlichkeitsfragebogen sind verfälschbar (Hu & Connelly, 2021). Darum sollten sie zur Rekrutierung und Auswahl höchstens ergänzend, z. B. zur Vorbereitung eines Interviews, eingesetzt werden. Realitätsnahe Arbeitsproben und Rollensimulationen bieten eine höhere Vorhersageleistung sowie Validität (Sacket et al., 2022).

Vorteile von Persönlichkeitsfragebogen

  • Bestimmte Persönlichkeitsmerkmale haben nachweislich unter bestimmten Bedingungen einen Einfluss auf Kriterien für Erfolg in Unternehmen und Organisationen.
  • Sie können helfen Geschäftskosten zu reduzieren, wenn damit Personen identifiziert werden, die die passende Persönlichkeit für eine Position oder Aufgabe sowie für anspruchsvolle Trainings, Entwicklungs- oder Talent-Management-Programme haben.
  • Sie können leicht und kosteneffizient von einem Assistenten via Papier und Bleistift oder computergestützt online oder offline einer großen Gruppe von Kandidaten dargeboten werden. Die Interpretation der Ergebnisse muss aber durch einen ausgebildeten Psychologen erfolgen.

Nachteile von Persönlichkeitsfragebogen

  • Sie können Items oder Fragen enthalten, die nicht berufs- oder positionsrelevant oder gar zu aufdringlich erscheinen.
  • Sie können Individuen dazu bringen, dass sie eher in Richtung einer positiven Entscheidung (Eignung, Anstellung) antworten statt so, wie sie wirklich sind (z.B. können sie versuchen, den Eindruck, den sie hinterlassen zu steuern oder gar verfälscht zu antworten).
  • Die Anwendung kann bei der Personalauswahl problematisch sein, wenn der Persönlichkeitstest oder -fragebogen eigentlich für die Messung von klinisch relevanten oder krankheitsbezogenen Persönlichkeitsmerkmalen konstruiert wurde und nicht für beruflich relevante Traits.

Selbstauskunft versus tatsächliches Verhalten

Wie Menschen sich selbst sehen oder was Menschen über sich selbst in Fragebögen ankreuzen und wie sie sich de facto verhalten ist oft sehr unterschiedlich. Dazu haben Wojcik und Kollegen 2015 eine bemerkenswerte Studie durchgeführt: Sie befragten amerikanische Konservative und Liberale zu ihrem Glücksenpfinden. Die Konservativen bewerteten ihr Glücksempfinden deutlich höher als das die Liberalen taten. Im tatsächlich beobachtbaren Verhalten ist das jedoch – hart nachgewiesen in verschiedenen Laborexperimenten – genau umgekehrt: Die Liberalen zeigen sich im tatsächlichen Verhalten glücklicher als die Konservativen. Daher lautet unser Motto:
Zeigen lassen ist mehr als nur erzählen lassen!


Vorsicht bei Persönlichkeitstests, die zu viel versprechen und bei Typentests

Zahlreiche auf dem Markt für Personalmanagement-Systeme sehr gängige Persönlichkeitsfragebogen (Hossiep et al., 2015) sind zwar schnell zu administrieren und mit erstaunlich wenig Aufwand durchzuführen, versprechen aber dennoch unglaublich viel und geben konkrete Hinweise für die nächsten 10 Berufsjahre. Kann das bei der dünnen Datenbasis funktionieren?
Solche Tests und Versprechen halten einer genaueren Qualitätsprüfung nicht stand und sind meist nur marketing-technisch gut gemachter Unfug. Dies gilt vor allem für solche, die Persönlichkeitstypen ergeben (Kanning 2014). Warum erklärt Prof. U.P. Kanning hervorragend in seinem Video aus der Reihe 15 Minuten Wirtschaftspsychologie: Ist es sinnvoll, Menschen in Typen einzuteilen?


Hinweise zum Einsatz von Persönlichkeitstests in der Praxis der Eignungsdiagnostik

  • Lassen Sie sich bei der Wahl eines Persönlichkeitstests z.B. für die Eignungsdiagnostik nicht von geschicktem Marketing, bunten Prospekten oder Empfehlungen anderer verleiten.
  • Stattdessen sollten Sie selbst gut recherchieren, Bewertungen unabhängiger Dritter wie z.B. dem Testkuratorium einholen, den Test auf Seriosität (z.B. wissenschaftliche Grundlage, Erfüllung der Testgütekriterien überprüfen und ihn auch selbst einmal durchführen. Bei letzterem werden mit ein wenig Nachdenken schon viele verbreitete, gut vermarktete Persönlichkeitstest durchfallen. Z.B. solche, die auf Basis von Antworten auf sehr wenige Fragen sehr weitreichende Befunde, Diagnosen und Hinweise zur weiteren Karriere liefern.
  • Anschließend wählen Sie einen Test mit mindestens hinreichender Testgüte sorgfältig passend zu Ihrer diagnostischen Fragestellung sowie zur Zielgruppe aus und betten ihn in Ihre bestehende Diagnostik ein.
  • Auf der Grundlage eines Persönlichkeitstests alleine sollten Sie keine Auswahlentscheidungen treffen, denn deren Vorhersageleistung in Bezug auf den späteren Berufserfolg ist im Vergleich zu anderen Instrumenten (z.B. Assessment, Arbeitsproben, strukturiertes Interview) eher gering. Die Ergebnisse von Persönlichkeitstests können Ihnen als „diagnostische Zusatzinformation“ sowie zur Vorbereitung auf das Interview dienen.
    Beispiel-Frage an den Kandidaten (w/m/d):
    "Passt die neue Rolle oder Stelle wirklich zu Ihrer Persönlichkeit und Ihrer Motivation?"


Beratung

Gerne beraten wir Sie bei der Auswahl des passenden Persönlichkkeitstests und konzipieren für Sie ein vorhersagestarkes Assessment.

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Siehe auch:
Trait
Persönlichkeit
big five-Persönlichkeitsmodell
Persönlichkeitstheorien
Validität
ökologische Validität
Unverfälschbarkeit

Links:

Goldberg's IPIP-NEO

Big Five

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Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung

Literatur

Angleitner, A. & Wiggins, J.S. (Eds.). (1986). Personality assessment via questionnaires. Berlin: Springer.
Amelang, M. & Bartussek, D. (2001; 5. erw. Aufl.). Differentielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung. Stuttgart: Kohlhammer
Barrick, M. R., Mount, M. K., & Judge, T. A. (2001). Personality and performance at the beginning of the new millennium: What do we know and where do we go next? International Journal of Selection and Assessment, 9, 9–30.
Birkeland, S.A., Manson, T.M.., Kisamore, J.L., Brannick, M.T.& Smith, M.A. (2006). A meta-analytic investigation of job aplicant faking on personality measures.international Journal of Selection and Assessment, 14, 317-335.
Hu, J. & Connelly, B.S. (2021). Faking by actual applicants on personality tests: A meta-analysis of within-subjects studies. International Journal of Selection and Assessment 29 (3-4), S. 412-426. https://doi.org/10.1111/ijsa.12338
Hossiep, R., Schecke, J., & Weiß, S. (2015). Zum Einsatz von persönlichkeitsorientierten Fragebogen – Eine Erhebung unter den 580 größten deutschen Unternehmen. Psychologische Rundschau, 66(2), 127–129.
Kanning, U. P. (2010). Von Schädeldeutern und anderen Scharlatanen: Unseriöse Methoden der Psychodiagnostik. Lengerich: Pabst.
Kanning, U. P. (2014). Sind Sie ein roter oder ein blauer Typ? – Über die Unsinnigkeit von Typologien. Online-Kolumne Wirtschaftspsychologie. www.haufe.de/personal/hr-management.
Video: Ist es sinnvoll, Menschen in Typen einzuteilen?
Morgeson, F.P., Campion, M.A., Dipboye, R.L., Hollenbeck, J.R., Murphy, K. & Schmitt, N. (2007). Reconsidering the Use of personality tests in Personnel Selection Contexts. Personnel Psychology 60 (3), S. 683-729. https://doi.org/10.1111/j.1744-6570.2007.00089.x
Richard L., Griffith, R.L., Converse, P.D., Mochinushi, Y. & Ziegler, M. (2016). Applicant Faking Behavior: The Elephant in the Room. in: Kumar, U. (Ed.). The Wiley Handbook of Personality Assessment, S.387-398. Chichester, UK: John Wiley & Sons.
Sackett, P. R., Zhang, C., Berry, C. M., & Lievens, F. (2022). Revisiting meta-analytic estimates of validity in personnel selection: Addressing systematic overcorrection for restriction of range. Journal of Applied Psychology, 107(11), 2040–2068.
Wojcik S.P., Hovasapian A., Graham J., Motyl M., Ditto P.H. (2015). Conservatives report, but liberals display, greater happiness. Science, 347, 1243–1246.


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